Kommunale Entwicklungszusammenarbeit – Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten

Die Ratsversammlung schließt sich der anliegenden Erklärung des Deutschen Städtetages „2030-Agenda – Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ an.

21.07.16 – von Dirk Scheelje –

Antrag:

Die Ratsversammlung schließt sich der anliegenden Erklärung des Deutschen Städtetages „2030-Agenda – Nachhaltigkeit auf kommunaler Ebene gestalten“ an. Mit dem Beschluss begrüßt die Landeshauptstadt Kiel ausdrücklich die von den Vereinten Nationen im September 2015 verabschiedete 2030-Agenda und die darin enthaltenen Entwicklungsziele, die sogenannten „Sustainable Development Goals” (SDGs). Sie begrüßt außerdem, dass in der Vereinbarung Kommunen erstmals als zentrale Akteure für nachhaltige Entwicklung anerkannt wurden und ein sogenanntes Städteziel definiert ist. Um das kommunale Handeln an den Zielsetzungen der „2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung“ auszurichten, legt der Deutsche Städtetag den Kommunen nahe, den Beschluss mit konkreten Schritten zu verbinden. Durch die Unterzeichnung erklärt die Landeshauptstadt Kiel ihre Bereitschaft, sich für die Ziele der Agenda auf lokaler Ebene zu engagieren. Die Erklärung enthält auch eine Aufforderung an Bund und Länder, sich stärker an den Kosten für kommunale Bemühungen in diesem Zusammenhang zu beteiligen.

In diesem Rahmen wird die Verwaltung beauftragt, gemeinsam mit der Selbstverwaltung und entwicklungspolitisch aktiven Akteuren zu erarbeiten, welche konkreten Maßnahmen in der Landeshauptstadt Kiel umgesetzt werden sollen, um den Zielen der SDGs gerecht zu werden und die Kommunale Entwicklungszusammenarbeit in der Landeshauptstadt Kiel als Schwerpunktthema zu verankern.

Die Verwaltung wird aufgefordert, einen Projektantrag an die ENGAGEMENT GLOBAL gGmbH auf Gewährung einer Zuwendung bzw. von Zuschüssen aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für das Programm der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt „Koordination kommunaler Entwicklungspolitik – Initiative zur Förderung einer Personalstelle zur Koordination und Umsetzung entwicklungspolitischen Engagements in Kommunen“ zu stellen. In dem Projektantrag soll deutlich gemacht werden, dass die Landeshauptstadt Kiel anstrebt, die Kommunale Entwicklungszusammenarbeit als Arbeitsbereich zu verankern. Der Koordinator/die Koordinatorin soll dafür eingesetzt werden, entwicklungspolitische Handlungskonzepte zu entwickeln und Strukturen zur nachhaltigen Verankerung kommunaler Entwicklungspolitik zu schaffen. Dabei sollen die neu gegründeten Städtepartner- und -freundschaften mit Moshi Rural (Tansania), Hatay (Türkei) und Samsun (Türkei) vorangebracht werden und die Agenda 2030 durch Maßnahmen mit Leben gefüllt werden.

 

Begründung:

 

Die Vereinten Nationen haben sich im September 2015 auf einen neuen globalen Rahmen für nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung geeinigt. Diese so genannte 2030-Agenda knüpft an die bis 2015 gesetzten Millenniumsziele der Vereinten Nationen an. Die neue 2030-Agenda umfasst einen Zeitraum von 15 Jahren ab jetzt bis 2030. Darin sind zwei der größten Herausforderungen für eine gerechte Welt eng miteinander verknüpft, die Armutsbekämpfung und das Ziel nachhaltiger Entwicklung. Kommunen haben für die Umsetzung der in der 2030-Agenda formulierten Ziele eine besondere Bedeutung.

Die neue 2030-Agenda bildet nun einen übergeordneten Rahmen für die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Kernstück der 2030-Agenda sind die so genannten „Sustainable Development Goals“ (SDGs). In allen dieser insgesamt 17 Ziele geht es darum, für gemeinsame Anliegen und öffentliche Güter auch gemeinsame Sorge zu übernehmen – wie etwa für das Klima, die biologische Vielfalt, das Wasser und den Boden. Gemeinsam das Welthandelssystem fair zu gestalten, soziale Gerechtigkeit zu etablieren oder Frieden zu sichern, werden als Aufgabe aller festgeschrieben. In diesem Rahmen wollen Staaten, Kommunen, Wirtschaft und die Zivilgesellschaft für globale Ziele gemeinsam Verantwortung tragen.

Das für die Kommunen wichtigste Ziel ist das so genannte „Stadtziel“. Städte und Siedlungen inklusiv sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen (Ziel 11). Aber auch die Ziele 7 „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und zeitgemäßer Energie für alle sichern“, 9 „Eine belastbare Infrastruktur aufbauen, inklusive und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen“ oder 13 „Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen“ sind sehr kommunalrelevant. In Ziel 17 geht es eben darum globale Partnerschaften auf Augenhöhe zu führen und wiederzubeleben, das Verhältnis von Geber- und Nehmerländern soll aufgelöst werden (siehe auch:

www.bmz.de/de/ministerium/ziele/ziele/2030_agenda/17_ziele/index.html).

Die neuen Entwicklungsziele sind mehr als eine Fortführung der bisherigen Millenniumsziele. Ziel ist es nicht mehr, Veränderungen alleine im globalen Süden herbeizuführen, sondern es geht auch um eine neue Perspektive und eine neue Balance in allen Teilen der Welt, egal ob Entwicklungs-, Schwellen-  oder Industrieland. Auch der Norden muss sich wandeln für eine gerechtere Welt. Aus diesem Grund hat der Deutsche Städtetag die in der 2030-Agenda der Vereinten Nationen enthaltene stärkere Fokussierung auf die gemeinsame Verantwortung des Nordens und des Südens für mehr Gerechtigkeit in der Einen Welt befürwortet. Ohne die Mitwirkung der Kommunen wird die internationale 2030-Agenda weitgehend wirkungslos bleiben.

Die Bundesregierung hat die Bedeutung kommunaler Entwicklungszusammenarbeit erkannt und beabsichtigt, die Kommunen noch stärker als Akteure in die Entwicklungszusammenarbeit einzubinden (Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU, Seite 183). Bund und Länder müssen ausreichende finanzielle Fördermöglichkeiten schaffen, so wie dies auch vom Deutschen Bundestag von der Bundesregierung gefordert wurde (Antrag der SPD und der CDU/CSU: „Entwicklungspolitische Chancen der Urbanisierung nutzen“ – Drucksache 18/4425).

Als kommunale Entwicklungszusammenarbeit wird die Summe aller Mittel und Maßnahmen bezeichnet, die Kommunalverwaltung und -politik einsetzen, um eine nachhaltige Entwicklung vor Ort und in den Entwicklungsländern zu fördern. In Deutschland hat sich die entwicklungspolitische Landschaft auf kommunaler Ebene in nachfolgenden Handlungsfeldern und Aktivitäten manifestiert:

Aktivitäten im Inland

  • Entwicklungspolitische Auswirkungen kommunalen Handelns im Inland: Einführung eines fairen Beschaffungswesens und damit weltweit faire Arbeitsbedingungen unterstützen (internationale Solidarität)
  • Förderung interkultureller Kompetenzbildung und Vielfalt (Migrantinnen und Migranten und Geflüchtete einbeziehen)
  • Entwicklungspolitische Bildungs-, Öffentlichkeits- und Informationsarbeit
  • Aktivitäten im Ausland
  • Kommunale Partnerschaften mit Kommunen aus Schwellen-, Transformations- und Entwicklungsländern für eine zukunftsfähige Stadt zu Themen wie Klima, Umwelt, partizipative Stadtentwicklung
  • Katastrophen- und Krisennothilfe
  • International fachliche Vernetzung mit anderen Kommunen und global aktiven Institutionen (z.B. Connective Cities)
  • Kommunale Lobbyarbeit auf internationaler Ebene

 

Viele deutsche Städte haben die Verantwortung schon erkannt und eigene Arbeitsbereiche in ihren Stadtverwaltungen dafür eingerichtet. Auch in Kiel wird hier schon hervorragende Arbeit in vielen Verbänden und Vereinen geleistet. Genauso fallen die Spendenaktion des Stadtpräsidenten für Schulen in Hatay und die Städtepartner- und -freundschaften in der Türkei und Tansania in diesen Bereich und sollen mit Leben gefüllt werden. Die kommunale Entwicklungszusammenarbeit in Kiel soll nun zusammengeführt, strukturiert und gezielter bearbeitet werden. Schon 2007 hat Kiel an einer Studie zu Migration und kommunaler Entwicklungszusammenarbeit teilgenommen, bei der Ansätze zur Verknüpfung von kommunaler Entwicklungszusammenarbeit und Diasporen erarbeitet wurde. An die hier schon erarbeiteten Handlungsempfehlungen soll nun angeknüpft werden. Daher soll in einem Dialogprozess für die Landeshauptstadt Kiel erarbeitet werden, wie die Kommunale Entwicklungszusammenarbeit in Kiel etabliert werden kann. Auch auf Landesebene hat sich schon einiges bewegt. In einem Dialogprozess mit dem Bündnis Eine Welt Schleswig-Holstein e.V., dem Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche, dem Städteverband Schleswig-Holstein und in Begleitung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein wurden Vorschläge für entwicklungspolitische Leitlinien erarbeitet.

 

Im Rahmen der Umsetzung der oben genannten Ziele soll die neue Fördermöglichkeit der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung genutzt werden und ein Antrag für die Initiative „Koordination kommunaler Entwicklungspolitik“ gestellt werden. Damit werden in den Städten und Gemeinden Grundlagen und Strukturen geschaffen, um das Thema auch über den Zeitraum der Förderung hinaus zu bearbeiten. Mit dem Angebot werden alle Kommunen und Kommunalverbände ermutigt, ihr entwicklungspolitisches Engagement auszubauen und dieses Potenzial voll auszuschöpfen.

 

 

gez. Ratsherr Wolfgang Schulz
SPD-Ratsfraktion

 

gez. Ratsherr Dirk Scheelje
Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

gez. Ratsherr Sven Seele
SSW-Ratsfraktion

 

 

Link zum Antrag im Infosystem der Kieler Kommunalpolitik

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