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Corona macht vor keinem Ort dieser Welt halt. Die Pandemie türmt ständig neue Herausforderungen vor unserer Gesellschaft auf. Dabei gibt es keine Blaupausen für den Umgang damit oder verlässliche Prognosen, wie lange die Ausnahmesituation andauern wird.
Für viele Menschen geht diese Zeit mit immensen Belastungen einher: Sie fürchten um den Arbeitsplatz und Selbständige um ihre Aufträge verbunden. Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und um ihre Existenz bangen, Kulturschaffende erleben quasi ein Berufsverbot. Viele Eltern üben seit Wochen den schmerzhaften Spagat zwischen Beruf und Familie und sind dabei nicht selten ins Home-Office gezwungen.
In der Krise zeigt sich aber auch der Charakter einer Stadt. Diesem Satz folgend, scheint Kiel in den vergangenen zwölf Jahren Vieles richtiggemacht zu haben. Kiel hat stärker als andere Städte auf den Gemeinsinn gesetzt und sich damit früher vom Dogma der Privatisierung des Gemeinwesens verabschiedet als andere Städte. Quasi gegen den Trend wurde in Schulen, ein neues Schwimmbad, eine Wohnungsbaugesellschaft investiert. Es wurden Strukturen geschaffen, um Kreative in Kiel zu halten und hierher zu holen. Die Transformation von Militär- und Industriebrachen ist angestoßen worden.
Die Corona-Krise hat zudem etwas bisher Einzigartiges geleistet: Wissenschaftliche Erkenntnisse beeinflussen maßgeblich politisches Handeln. Das unersättlich scheinende Streben nach Wachstum, die Gier nach Profit und Macht ist wenigstens für eine Zeit dem Schutz des Lebens untergeordnet worden. Hoffentlich macht dieses Beispiel Schule, denn auch für Klimawandel, Meereskrise, Artensterben, Ressourcenverbrauch, Bildungsbedarf, nachhaltige Finanzsysteme gibt es längst wissenschaftliche Erkenntnisse. Die wissenschaftlichen Hinweise zu befolgen wäre mindestens genauso dringend wie in der Corona-Pandemie.
Corona fördert auch eine neue Sichtweise des Gemeinsinns. Viele sind sich plötzlich einig, dass das Leben eines jeden Menschen gleich zu schützen sei. Hält die Krise mit den Einschränkungen an, droht der Gemeinsinn allerdings hinter wirtschaftlichen Problemen zu verblassen. Deshalb sind staatlichen Hilfen unverzichtbar, um Sicherheit und Perspektive zu geben. Deshalb muss Kiel in die Zukunft und das Wohl der Menschen investieren – auch um den Gemeinsinns weiter zu stärken.
Gemeinsinn ist auch ein Ausdruck einer starken Zivilgesellschaft, in der sich Nachbarschaften organisieren und regional einkaufen. Es geht also nicht nur um eine starke Stadt, die sich um die Menschen kümmert und bei Bedarf unterstützt. Es geht um das Miteinander einer starken Zivilgesellschaft und einer starken Stadt, der sich alle Einwohner*innen als mündige und selbstbewusste Bürger*innen verbunden fühlen. Nun zahlt sich hoffentlich aus, dass in den vergangenen Jahren zivilgesellschaftliche Strukturen – im sozialen Bereich, in der Geflüchtetenhilfe, im kulturellen und soziokulturellen Bereich, in der Kreativszene – finanziell durch die Stadt unterstützt wurden und nun als kompetente Partner zur Verfügung stehen.
Stadt und Zivilgesellschaft wären ohne eine vitale Wirtschaft allerdings sehr schnell handlungsunfähig, weil beide ohne die Erträge schlicht nicht lebensfähig wären. Gleichzeitig könnte Wirtschaft alleine nicht florieren. Auch sie braucht leistungsfähige öffentliche Strukturen und eine wohlwollende Zivilgesellschaft als Konsument*innen. Alle drei verbindet das Interesse an einer lebenswerten Zukunft. Das Gemeinwohl.
Für die Wirtschaftspolitik einer Stadt wie Kiel ergeben sich daraus klare Konsequenzen.:
Was heißt das für konkret für unsere Wirtschaftspolitik?
Wirtschaft und Gemeinwohl sind nicht im Widerspruch, solange jedes Unternehmen sich der Frage stellt: Was ins unser Beitrag zum Gemeinwohl? Eine soziale und ökologische Ausrichtung der Politik darf damit bei der Wirtschaftspolitik nicht ihre Grenze finden, sondern muss sich auf Fragen der Wirtschaftsförderung auswirken. Wenn wir Gewerbegebiete mit Steuergeldern entwickeln, sollten diese Unternehmen zugutekommen, die sich den Anforderungen es Klimawandels stellen oder sich in der Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt beteiligen. Andere Themen einer Gemeinwohlorientierung wären zum Beispiel die Einbindung in die Stärkung nachbarschaftlicher Strukturen oder Beiträge zur Internationalisierung der Stadt.
In dieser Situation machen zusätzliche kommunale Hilfsprogramme für Unternehmen oder Branchen nur wenig Sinn. Bei der Gewerbesteuer gäbe es Möglichkeiten, durch Stundung und Herabsetzung die Situation in Not geratener Unternehmen zu stabilisieren. Gleichzeitig bietet die Krise dann eine Chance, wenn diese als Wegmarke in Richtung einer innovativen und diversifizierten Wirtschaft verstanden wird. Die Landeshauptstadt Kiel sollte jetzt helfen, die Wirtschaftsentwicklung und damit auch die Unternehmen auf noch mehr Nachhaltigkeit auszurichten. Dabei geht es keineswegs um Zeitgeist; denn Nachhaltigkeit ist und wird für die Mehrheit von Investitionsentscheidungen ein zentraler Baustein. Das gilt sowohl für den Standort als auch die Unternehmen selbst.
Dabei gilt es, den Blick auf private und öffentliche Wirtschaftsunternehmen zu richten. Beide schaffen Arbeitsplätze und leisten einen wichtigen Beitrag zur Finanzkraft der Landeshauptstadt. Sie bieten vielen Jugendlichen eine gesicherte Berufsausbildung, treiben Innovationen voran und sind wichtiger Kooperationspartner lokaler oder regionaler Wissenschaftseinrichtungen. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind ein wesentlicher Bestandteil der Kieler Wirtschaft und Arbeitsplatzgaranten, die es besonders zu unterstützen gilt. Darum sollten städtischen Ausschreibungen – soweit möglich – in kleinere Volumen und Lose vorgenommen werden, um eine Beteiligung dieser Unternehmen zu erleichtern.
Die Angebote für die Wirtschaft sollten dabei über die Aufgaben der Wirtschaftsförderung, nämlich Gewerbeflächen zu entwickeln und die Vernetzung der Unternehmen zu stärken, hinausgehen. Gebraucht werden auch Unterstützungsangebote bei der Entwicklung von Konzepten für eine nachhaltige Umgestaltung der Unternehmen, der notwendigen Transformation im Hinblick auf die Anforderungen der Zukunft. Unternehmen werden einem erheblichen Veränderungsdruck ausgesetzt sein, wenn sie an den Märkten der Zukunft Bestand haben wollen. Damit uns die Unternehmen auch langfristig erhalten bleiben, sollten wir sie bei den notwendigen Veränderungsprozessen unterstützen. Gerade die Kreativwirtschaftlichen Strukturen werden hier einen wichtigen Beitrag leisten können.
In Kiel bestehende Projekte wie Co-Working-Spaces, Innovation Hubs, kreative Gründungszentren und Startup-Initiativen müssen weiter gefördert werden und weitere sich entwickeln können. Vorhandene Strukturen wie Open Campus, Anscharcampus, Alte Mu oder Fleet 7 sind zu stärken und – falls nötig – zu Kooperationen zu ermuntern Hierfür sollen entsprechende Förderprogramme in Kooperation mit dem Land entwickelt werden.
Mit einem Masterplan „Handwerk in Kiel“ soll diese traditionsreiche Branche auf alle Herausforderungen eingestellt und vorbereitet werden. Dieser Masterplan soll im Dialog mit allen Akteur*innen entwickelt und Innovationsförderung, Digitalisierung und Bekämpfung des Fachkräftemangels bedacht werden. Ergänzend zum Programm der Landesregierung soll ein Aktionsbündnis Unternehmensnachfolge unter Einbindung von Stadt, IHK, Handwerkskammer, Unternehmen und Gewerkschaften ins Leben gerufen werden.
Wirtschaftsförderung muss sich zukünftig noch stärker mit einer ressourcenschonenden Produktion der Unternehmen einhergehen. In einer Klimaschutzstadt wie Kiel sollten Unternehmen, die Unterstützung erhalten, sich der Aufgabe stellen, ihren Ressourcenverbrauch zu minimieren, sich aktiv am Klima- und Meeresschutz zu beteiligen und regionale Produkte und den fairen Handel zu stärken. Ein Schritt in dieser Richtung könnte eine Unternehmensinitiative – möglichst auf Ebene der KielRegion – sein für Klimaschutz, Meeresschutz und Nachhaltigkeit.
Eine Vorbildfunktion kommt dabei den städtischen Beteiligungen und den Eigenbetrieben, besonders Seehafen, Müllverbrennung Kiel (MVK), KVG, SFK, Zentrum für maritime Technologie und Seefischmarkt (ZTS), städtisches Krankenhaus und Stadtwerke – zu. Die Unterstützung von Unternehmensansiedlungen sollte mit der Erfüllung von Umweltstandards und -zertifizierungen verknüpft werden.
Kiel muss den digitalen Wandel noch stärker unterstützen. Die Zukunftsaussichten in Kiel und der Region sind entscheidend davon abhängig, wie sich die Unternehmen darauf einzustellen können. Dafür brauchen die Unternehmen eine entsprechende digitale Infrastruktur. Dabei dürfen Faktoren wie Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre nicht über Bord geworfen werden. Digitalisierung muss dafür sorgen, dass nicht weniger, sondern mehr Menschen die Chance auf eine sinnvolle Tätigkeit mit auskömmlichen Einkommen bekommen Es braucht Leitlinien für eine soziale Gestaltung der Digitalisierung. Digitale Startups müssen verstärkt gefördert werden – auch weil diese die Chancen für die Anbindung des ländlichen Raums an die Stadt nutzen. Co-Working-Räume in der KielRegion leisten auch einen Beitrag zu zukunftsgerechter Mobilität.
Die Ausbreitung der Corona-Pandemie hat auch mit der Globalisierung zu tun. Es sind alle Orte gefordert, sich überregional auszurichten. Wer in diesem Wettbewerb bestehen will, setzt auf Kooperation statt Konkurrenz. Die guten Ansätze in der KielRegion wie der Masterplan Mobilität oder die Gewerbeflächenentwicklung müssen ergänzt werden. Darum sollte eine Initiative zur Bündelung der Kräfte in der KielRegion gestartet werden, um im Bereich Standortmarketing und Wirtschaftsförderung eine neue Qualitätsstufe zu erreichen.
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Kiel und SPD Kiel lädt alle interessierten Bürger*innen, Vertreter*innen von Politik, Presse und Zivilgesellschaft herzlich dazu ein, am
Dienstag, 20. Oktober 2020
19:00 Uhr bis 20:30 Uhr (Videokonferenz)
an der Diskussionsveranstaltung „Wirtschaft zum Wohle aller – sozial-ökologische Perspektiven in Kiel und Schleswig-Holstein“ teilzunehmen.
Unter den Leitfragen „Was bedeutet sozial-ökologisches Wirtschaften und wie setzen wir es in Kiel und Schleswig-Holstein um?“ diskutieren
Moderation: Hannah Wolf, Kreisvorstand BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Kiel
Dem Zoom-Meeting kann unter folgendem Link beigetreten werden:
Meeting-ID: 911 9823 1402
Kenncode: 354787
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