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12.10.18 –
Am Freitag den 5. Oktober 2018 eröffnete die Künstler*innen des Futur 3 Kunstfestival mit der Podiumsdiskussion „Arbeit ist die Kunst” die Tore. Wir sprachen über die Produktionsbedingungen der Künstler*innen und was die Stadt Kiel für ihre Kunstszene tun kann.
Eingeladen hatte das „Netzwerk für revolutionäre Ungeduld” die Gäste Angelika Stargardt (Leiterin des Kulturbüros Kiel), Volker Sponholz (Mitarbeiter des Referats Kreative Stadt), Detlef Schlagheck (Künstler und Kurator im ONspace), Michael Ziehl (Urbanist und Akteur von „Performing citizenship” aus dem Gängeviertel Hamburg) sowie Lena Krause von der Allianz der freien Künste.
Fördert man an den realen Bedürfnissen der Künstler*innen vorbei? Die meisten der anwesenden Künstler*innen beantworteten diese Frage mit: Ja! So fragten die Veranstalter*innen der Futur 3 Festivals, warum es möglich war, Material und Verköstigung des Festivals zu bezahlen, für die Künstler*innen selbst aber nur eine kleine Aufwandsentschädigung bliebe. Wo sind die fairen Honorare?
Viel zu sehr sei die Förderung darauf ausgerichtet, den Künstler*innen zu helfen, ihre Werke zu verkaufen. Doch nicht jede Kunstform und jedes Kunstwerk ist verkäuflich. Eine Kunstperformance kann man nicht mit nach Hause nehmen. Eine Installation ist speziell für den Ausstellungsraum konzipiert. Künstler*innen leben daher vor allem von Honoraren, die sie erhalten, weil ihre Werke ausgestellt werden. Und diese Honorare müssen endlich über eine nette Aufwandsentschädigung hinausgehen.
Eine Ursache dieses Missverhältnisses zwischen Künstlergage und der Bezahlung von Dienstleistungen liegt wahrscheinlich in einer veralteten Vorstellung des direkten ökonomischen Nutzens. Holt man einen Elektriker ins Haus, so repariert er konkret etwas und man kann ihn dafür bezahlen. Tritt eine DJane bei einem Event auf, lässt sich konkret skalieren, dass sie eine bestimmte Summe von den Einnahmen als Gage bekommt. Ihr Nutzen ist direkt erkennbar.
Kunst wirkt dagegen in die Gesellschaft, in die Menschen hinein und entfaltet ihre Wirkung erst im zweiten Gang. Siedeln sich Künstler*innen an, so wertet das einen Stadtteil auf. Schüler*innen lernen über Kunst ihre Welt zu reflektieren. Unternehmer*innen lassen sich von künstlerischen Werken oder in der Nähe von Künstler*innen zu neuen Produkten inspirieren, wie zum Beispiel das Impulswerk Alte Mu zeigt. Dieser indirekte Nutzen lässt sich nicht ökonomisieren, hat jedoch gravierende Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und den Lebensstandard in Kiel. In diesem Sinne könnte man es spitz neoliberalistisch formulieren: Wir bedienen uns den Diensten der Kunst ohne den Preis dafür zu zahlen.
Hier muss sich grundsätzlich in der Kunstförderung etwas ändern, denn die Künstler*innen allein auf den Kunstmarkt zu reduzieren und ansonsten auf ihre Selbstausbeutung zu setzen, wird nicht reichen, um aus Kiel eine Kulturstadt zu machen.
Vergessen sollte man aber nicht, dass die ersten Schritte für mehr Kultur in Kiel getan sind. So wurden die institutionellen Förderungen erhöht sowie das Referat „Kreative Stadt” geschaffen. Dieses hat u.a. die Aufgabe, leerstehende Läden an Künstler*innen zu vermitteln. Auch die Kooperation aus Grünen, SPD und FDP hat sich in ihrem Kooperationsvertrag verständig, günstige Atelierräume in der Stadt zu schaffen. Der richtige Schritt, wie die Künstler*innen auf der Veranstaltung bestätigen. Die meisten Künstler*innen müssen mit einem Einkommen auf Hartz-4-Niveau auskommen und könnten sich Räume zu marktüblichen Preisen nicht leisten. Positiv wurde hier das Atelierhaus im Anscharpark herausgestellt.
Bei der Vermittlung von Leerständen in der Innenstadt stößt Volker Sponholz aus dem Referat Kreative Stadt auf Schwierigkeiten. Oft sind die Besitzer nicht zu erreichen, weil es sich um internationale Investoren handelt, die die Immobilien nur aus finanziellen Gründen nutzen. Dass so viele Investoren die Innenstädte quasi aufkaufen hat auch etwas mit verfehlter Stadtentwicklungspolitik zu tun, kritisiert Michael Ziehl aus dem Gängeviertel in Hamburg. Nicht nur in Kiel ein Problem. Allein in Rendsburg gehören mehr als die Hälfte der Ladengeschäfte ausländischen Investoren, was zum langsamen Tod der dortigen Innenstadt führt.
Aber auch die ansässigen Besitzer tun sich schwer mit der Vermietung an Künstler*innen. Aus nachvollziehbaren Gründen. Der Papierkram für eine zweiwöchige Vermietung lohnt den Aufwand nicht. Eine Bespielung der Räumlichkeit für drei Monate können sich wiederum die Künstler*innen nicht leisten, die dann auch drei Monate lang dafür sorgen müssten, dass dort auch etwas passiert. Das führt dazu, dass sie keine Zeit mehr haben eigenes zu produzieren oder schlicht ihren Nebenjobs nachzugehen, die sie aufgrund des schlechten Einkommens annehmen müssen.
Leerstände von Künstler*innen nutzen zu lassen hält Michael Ziehl für eine gute Sache, doch Kulturpolitik sollte sich nicht allein darauf beschränken. Eine Zwischennutzung hat nämlich auch Nachteile. „Wir bauen da einen Ort auf, müssen dann gehen und woanders von Null anfangen”, erklärt er. Die Besetzung des Gängeviertels ist aus seiner Sicht als Notwehr zu verstehen. Dort ist ein Ort der Kulturproduktion aber auch für soziales Wohnen entstanden. Dabei streicht er den transformativen Charakter der Kunst heraus, der noch immer zu wenig von der Stadt geschätzt wird. „Unsere Zusammenarbeit mit der Verwaltung ist nicht besonders harmonisch”, erzählt er weiter.
Detlef Schlagheck hat in Gaarden einen sogenannten Offspace gegründet. Diese sind unabhängige, nichtkommerzielle Ausstellungsräume für zeitgenössische Künstler*innen. Der Ausstellungsraum ONspace arbeitet inzwischen eng mit der Muthesius Kunsthochschule zusammen. Das Geld ist jedoch auch hier knapp, so dass Schlagheck gar keine Honorare zahlen kann. „In Kiel gibt es keinen Kunstmarkt, aber Kunst ist ein Faktor für die Stadt”, sagt er , „es gibt einen Diskurs, an dem sich die Künstler beteiligen wollen.” Doch ohne etwas darüber hinaus, gibt es für die Künstler*innen keinen Grund in Kiel zu bleiben, vor allem nicht für Absolventen der Muthesius Kunsthochschule.
Ein erster Schritt für eine bessere Bezahlung von Künstler*innen könnte ein Honorarschlüssel für Stadtgalerien sein, schlägt ein Gast aus dem Publikum vor. Auf Bundesebene gäbe es dort schon einige Modelle. Das hilft natürlich nicht den Offspaces, die auf andere Art und Weise unterstützt werden müssen, damit auch sie die Ausstellungen in ihren Räumen fair bezahlen können.
Zum Schluss plädiert Lena Krause von der „Allianz der Freien Künste” für einen Zusammenschluss der Künstler*innen, um Forderungen besser durchsetzen zu können. Und sie hat damit Recht. Diejenigen Berufsgruppen, die sich in Verbänden organisieren, haben oft ein höheres Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen. Das künstlerische Arbeit nicht skalierbar wäre, hält sie für einen Mythos. Jede Produktionsform ist anders, aber für jede kann ein Modell gefunden werden, um sie zu fördern. Die Musik hat ihre Konzerte, die bildende Kunst die Ausstellung und der Film braucht schon in der Produktion Geld, weil er ohne Technik und Angestellte (Mindestlohn) nicht auskommt.
Volker Sponholz erklärt zudem, dass man über die Kunst hinaus denken muss. Er ist Zeichner und hat mit einigen Kolleg*innen das Magazin Pure Fruits gegründet, das sich über Anzeigen finanziert.
Günstige Räume und die Berücksichtigung von fairen Honorare in der Kulturförderung sind kulturpolitische Möglichkeiten, die einen Blick wert sind. Druck machen können Künstler*innen, indem sie sich zusammenschließen. Das Futur 3 Festival sowie das „Netzwerk für revolutionäre Ungeduld” machen hier den ersten Schritt in die richtige Richtung.
Das Futur 3 Festival läuft noch bis zum 27. Oktober in der Kieler Innenstadt (Alte Post, Flämische Straße, Club 68 und Schlossquartier).
Bei Fragen, Anregungen und Wünschen wenden Sie sich gerne an unsere kulturpolitischen Sprecherinnen Jessica Kordouni und Bettina Aust oder kommen Sie zu unserem Arbeitskreis Kultur.
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