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23.01.19 –
Die Kieler Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich bisher in allen Pressemitteilungen, Reden, Blogs oder Artikeln in der „Grünen Zeitung“ eindeutig positioniert: Im Mittelpunkt steht immer der Gesundheitsschutz. Es gibt ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, und das sollte in Kiel nicht länger mit Abgasen (und Lärm!) wenigstens – wenigstens nicht über den Grenzwerten – traktiert werden. Die Europäische Umweltagentur geht von ca. 40.000 Todesfällen durch Luftverschmutzung in Deutschland aus. Da braucht es in Kiel endlich Maßnahmen, die im Rechenmodell und in der Wirklichkeit dafür sorgen, dass wenigstens die Grenzwerte in Sachen Luftqualität unterschritten werden.
Dass die von der Stadt vorgeschlagenen Maßnahmen jene sind, die kurzfristig genau dieses Ziel erreichen, mag mensch bezweifeln. Viele dieser Maßnahmen sind unstrittig gut, richtig, politisch oft längst beschlossen und manchmal auch schon in der Umsetzung. Eine Unterschreitung der Grenzwerte wird es aber nur dann geben, wenn die Zahl der Fahrzeuge auf dem Theodor-Heuss-Ring spürbar sinkt. Mehr als 100.000 Fahrzeuge pro Tag sind einfach zu viele.
Eine bloße Verlagerung der Fahrzeuge in andere Straßen darf nicht die Lösung sein, da die Abgase dann dort in die Luft geblasen werden, wo derzeit (noch) niemand misst.
Das spricht im ersten Moment gegen ein Fahrverbot, das ja ohnehin nur sehr begrenzt wäre und schlimmstenfalls Verkehr, Abgase und damit immense Probleme auf die Alte Lübecker Chaussee und die Hamburger Chaussee verlagern würde. Viel interessanter ist der vom BUND aufgebrachte Gedanke einer deutlich größeren Umweltzone mit Fahrverboten für Pkw bis Euro 6-Motoren. Eine Ausnahmegeneh-migung für Fähr-Fahrgäste und eine „Kieler Blaue Plakette“ könnten dafür sorgen, dass der Wirtschaftsverkehr darunter nicht leiden muss.
Wer die Peitsche in der einen Hand hält, sollte aber auch das „Zuckerbrot“ griffbereit halten.
Oder anders formuliert: Im selben Moment braucht es attraktivere Angebote im ÖPNV; dazu gehören das 1-Euro-Ticket, einen verbesserten Streckenfahrplan und eine erhöhte Taktfrequenz. Eine schnelle Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs – Velorouten und Radschnellwege benötigen in der Realisierung oft Jahre – ist die Schaffung sogenannter Protected Bike Lanes auf mehrspurigen Verkehrsachsen. Der Westring, die Eckernförder Straße, die Werftstraße oder die Holtenauer Straße sind Beispiele, wo einer Realisierung bislang nur der noch nicht artikulierte politische Wille im Wege steht.
Auch die Wiederherrichtung der in die Jahre gekommenen Radverkehrsanlagen wäre ein wichtiger Schritt Radfahren zeitnah attraktiver zu machen. Auf die Fahrbahn aufgemalte, schmale Schutzstreifen à la Knooper Weg sind es in jedem Fall nicht! Wer Menschen zum Ausstieg aus dem eigenen Auto bewegen will, muss genau ein attraktives Angebot machen. Dazu gehört auch eine ausreichende Zahl sicherer Abstellanlagen für Fahrräder im Stadtgebiet. Das müssen keine Fahrradgaragen sein; eine ausreichende Zahl von Fahrradbügeln, die nicht auf Kosten von Geh- oder Radwegen errichtet werden, wäre ein erster Schritt.
Auch die Bedingungen des Fußverkehrs sollten dringend unter die Lupe genommen und verbessert werden. Dazu gehören direkte und sichere Verbindungen und nicht umständliche Wegeführungen, die nur den Zweck haben, den Autoverkehr so wenig wie möglich einzuschränken. Die Errichtung zusätzlicher Mobilitätsstationen im Stadtgebiet sollte von der Planungs- schnell in die Realisierungsphase überführt werden. Der weitere Ausbau von Car-Sharing-Angeboten kann helfen, Menschen davon zu überzeugen, dass sie kein eigenes Auto brauchen.
Apropos eigenes Auto: Es gibt keinen Anspruch auf einen kostenlosen Stellplatz im (kostbaren) öffentlichen Raum. Darum gehört zur Mobilitätswende auch zeitnah die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf das gesamte Stadtgebiet. Ausgehend vom Zentrum sollten kostenlose Stellplätze der Vergangenheit angehören. Dieser Schritt würde Pendler*innen endlich motivieren, auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle den ÖPNV zu nutzen oder wenigstens Fahrgemeinschaften zu bilden. Sukzessive sollten Anwohnerparkzonen und bewirtschaftete Stellplätze auf alle Wohngebiete ausgeweitet werden.
Ganz wichtig ist und bleibt die Stadtbahn! Sie allein bietet auf Sicht die richtigen Antworten auf die Mobilitätsprobleme einer Großstadt wie Kiel. Wir Grünen müssen Treiber*innen dieser Entwicklung bleiben und dafür sorgen, dass so schnell wie möglich eine erste Strecke in Betrieb geht.
In der Berichterstattung rund um den „Besuch“ von DUH-Chef Jürgen Resch klang durch, dass das Land den Entwurf des Luftreinhalteplans wohl erst zur Sommerpause vorlegen wird. Nach der anschließenden Öffentlichkeitsbeteiligung kommt der spannende Moment, in dem der Oberbürgermeister sein Einvernehmen erteilt oder eben auch nicht. Sollte er dies mit Hinweis auf mögliche Fahrverbote verweigern, müssen auch wir uns positionieren. Fahrverbote sind kein Selbstzweck, wir Grüne streben diese nicht an. Wenn sich die Luftqualität ohne diese aber nicht (mal in Rechenmodellen) zeitnah verbessern lässt, gilt es, diese durchzusetzen.
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) birgt ein hohes Potenzial negativer gesundheitlicher Auswirkungen durch verschiedene Luftschadstoffe – gerade in Ballungsgebieten. Solange es MIV gibt, verlangen die Grünen bei allen Verbrennungsmotoren (Diesel und Benziner) umgehende technische Nach- und Ausrüstungen durch entsprechende Filtersysteme für alle relevanten Luftschadstoffe. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, dies zu Lasten der Autoindustrie in der Bestandsflotte ebenso durchzusetzen wie in der Neuwagenproduktion!
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