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Der „Tunnelblick“ beschreibt einen Rauschzustand, der beim Fahren mit sehr hoher Geschwindigkeit auftreten kann. Er führt zu eingeschränktem Sehen, bei dem nur noch die unmittelbar im Zentrum des Gesichtsfeldes befindlichen Objekte richtig wahrgenommen werden. Dieses Phänomen taucht interessanterweise immer wieder auch in Diskussionen auf, in denen es im engeren oder auch weiteren Sinne um die Mobilitätswende geht. Jüngstes Beispiel: 100 neue Fahrradbügel, für die vis-à-vis zum Holstein-Stadion 10 Stellplätze am Westring weichen mussten.
Egal, ob örtliche Zeitung oder Vorsitzende in einem Ortsbeirat, in dessen Zuständigkeitsbereich die Fahrradbügel gar nicht stehen – bei diesem Thema verengt sich die Wahrnehmung von Menschen gerne auf die Bedürfnisse eines einzigen Verkehrsmittels – nämlich des Motorisierten Individualverkehrs (MIV), oder besser gesagt: des Autos. Der Verlust von 10 Stellplätzen in einem Bereich des Westrings, wo es so gut wie keine unmittelbaren Anwohner*innen gibt, verschärfe die Parksituation am Stadion. Verschärft wird die Situation vor allem für Menschen, die einen kostenlosen Stellplatz für ihr Wohnmobil, einen Anhänger oder Ähnliches suchen. Denn waren bisher – unerlaubterweise – Hauptnutzer*innen dieser Stellplätze unmittelbar vor dem Holsteinkreisel.
Auch mathematisch betrachtet, muss mensch schon sehr aufs Auto fixiert sein, um den „Verlust“ von 10 Auto- zugunsten von 200 Fahrradstellplätzen als Verschärfung der Parksituation am Stadion zu begreifen. Faktisch ist das kein Verlust, sondern ein Gewinn für all die Menschen, die umweltfreundlich und kostengünstig zum Fußball anreisen und mit ihren Verkehrsmitteln nicht auch noch großflächig das gesamte Viertel zustellen wollen. Denn genau das tun nicht wenige Menschen, die mit dem Auto zum Stadion kommen.
Es geht bei dieser Diskussion aber keineswegs nur um das Mobilitätsverhalten von Fußballfans, das vermutlich kaum große Abweichungen zu dem anderer Gruppen aufweist. Es geht vielmehr um die Frage, ob wir endlich bereit sind, uns vom Automobil als dem allein seelig machenden Verkehrsmittel zu verabschieden. Natürlich wird es auf absehbare Zeit in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein und selbst in einer Großstadt wie Kiel nicht ohne Kraftfahrzeuge gehen. Auch in der Landeshauptstadt wird zum Beispiel gewerblicher Verkehr ein Faktor bleiben, den wir durch intelligente Logistikkonzepte einschränken, aber nicht verschwinden lassen können.
In einem ersten Schritt der Mobilitätswende, dort wo (fast) jede*r von uns einen Beitrag leisten kann, geht es um Bequemlichkeit und um lieb gewordene Gewohnheiten. Oder wie ist es zu erklären, dass in Schleswig-Holstein 57 Prozent aller Strecken bis fünf Kilometer und bis zehn Kilometer sogar 73 Prozent mit dem Auto zurückgelegt werden. Nicht alle diesen Menschen sind gesundheitlich eingeschränkt und deshalb auf das eigene Kraftfahrzeug angewiesen.
Wenn wir schädliche Gewohnheiten ändern wollen, braucht es natürlich Einsicht der Menschen in die Notwendigkeit, klimaschädliche Emissionen auch durch das eigene Mobilitätsverhalten zu verringern. Dabei geht es nicht um die Einhaltung abstrakt erscheinender Grenzwerte oder Vereinbarungen aus internationalen Konferenzen. Es geht um Lebensqualität, es geht um Gesundheitsschutz (Theodor-Heuss-Ring!) und es geht um die Rettung dieses Planeten!
Und um diese Ziele in der nötigen Geschwindigkeit zu erreichen, werden wir ohne steuernde Eingriffe nicht auskommen. Und dazu gehört mit Sicherheit, die strukturellen Bedingungen für umweltfreundliche Mobilität zu verbessern. Fahrten mit dem Bus oder der Fähre müssen attraktiver und auch preiswerter werden. Menschen zu Fuß und auf dem Rad müssen bessere Bedingungen vorfinden, um sicher und schnell von A nach B zu gelangen. Die Umwandlung von öffentlichem Raum für umweltfreundlichere Verkehrsträger gehört unbedingt dazu. Und nichts Anderes sind die 100 neuen Fahrradbügel auf den 10 ehemaligen Pkw-Stellplätzen am Westring. Sie sind ein Anfang, um Kiel zu einer besseren Stadt zu machen!
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